Wenn der Klassenraum zur Matschbahn wird…
Ein künstlerisches Projekt der besonderen Art in der Grundschule St. Martin in Düngenheim
„Wann kommt Julia denn endlich?“ „Ist sie schon da?“ Ungeduldig blicken die Erstklässler zur Tür. Da klopft es auch schon und Julia steckt verschmitzt lächelnd ihren Kopf herein. „Juchhuuuu – da bist du endlich!“ So oder so ähnlich geht es nun bereits seit Wochen in unserer Klasse zu.
Die Klasse 1a der Grundschule St. Martin in Düngenheim ist nämlich eine „MUS‑E ®“-Klasse. MUS‑E ® ist ein international verbreitetes Programm, das die Kinder für die Künste sensibilisieren soll, ihre Kreativität und ihr Selbstwertgefühl fördern soll und dadurch zu Toleranz und Vielfalt erzieht. Dies stärkt auch den Zusammenhalt in der Klasse. „Wenn wir die Welt verändern wollen, müssen wir bei den Kindern anfangen“, sagte der große Musiker und Humanist Lord Yehudi Menuhin, der dieses Projekt initiiert hatte. So erhalten die Kinder mindestens zwei Jahre lang einmal in der Woche für zwei Schulstunden Besuch von professionellen KünstlerInnen, die die Kinder in ihrem jeweiligen Fachgebiet unterrichten – jeweils ein halbes Jahr, dann wird gewechselt: Theater, Bildende Kunst, Literatur, Musik oder Tanz.
Unsere Rabenklasse startet mit Theater und so besucht uns die Schauspielerin Julia Prochnow jede Woche und begeistert die Kinder in einem wertungsfreien Raum für Theater. Diese lernen dabei, sich in den verschiedensten Spielsituationen kreativ auszudrücken, sei es sprachlich, körperlich oder beides zusammen. Egal, ob die Katze, die sie liebevoll auf ihrem Arm streicheln, sich plötzlich in ein Handy verwandelt oder in ein Springseil – das ist mittlerweile kaum ein Problem! Selbst wenn sogar der gesamte Klassenraum plötzlich zur Matschgrube wird und alle Kinder Schwierigkeiten beim Durchqueren haben, weil die Füße bis über die Knöchel im Morast stecken, lässt man sich einfach vom Nachbarn rausziehen. Der ein oder andere bekommt natürlich auch einen Schlammball ab. Doch sobald die Matschbahn zur Eisfläche wird, muss man sich sehr vorsichtig darauf bewegen, damit man nicht ausrutscht. Gott sei Dank hatten einige Kinder ihre Schlittschuhe dabei und konnten galant dahingleiten und Pirouetten drehen.
Bei gemeinsamen Darbietungen und Spielen gibt es einfach immer und immer wieder Situationen, die die Kinder selbstständig miteinander und füreinander lösen müssen – und das klappt stetig besser. Natürlich müssen sie dafür intensiv miteinander sprechen, zusammen denken, diskutieren und planen – manchmal gibt es dabei auch Schwierigkeiten, doch am Ende schaffen sie es immer eine kreative Lösung zusammen umzusetzen. Und auf dem Weg dorthin kommen die verschiedensten Talente zum Vorschein. So hat in der Darstellung einer selbst erfundenen „Hausaufgaben-Mach-Maschine“ jeder seine Aufgabe: Egal ob man ein Motor ist, welcher den Füller antreibt, der dann die Hausaufgaben auf das Arbeitsblatt schreibt. Oder ob man als Arbeitsblattsammler alle beschriebenen Arbeitsblätter abheftet und auf den Tisch legt, auf dem sie wiederum in den Computer getippt werden. Natürlich wird der störungsfreie Ablauf durch den Maschinenbauer überwacht, der sofort weiß, was zu tun ist, wenn es im selbigen hakt. Jeder hat eine ganz eigene wichtige Aufgabe in der Maschine – und sie funktioniert nur mit allen zusammen.